"Konkrete Gegenwart" im Museum Haus Konstruktiv Zürich von Dominique von Burg 2019
Das Schaffen von Karin Schwarzbek dreht sich um die Grundlagen der Malerei: Fläche, Farbe, Wechsel des Lichts, Hell und Dunkel, Materialität, Haptik und Oberflächendichte sowie um die handwerklich-physischen Prozesse des Malens selbst. Und sie untersucht, in welcher Form Spuren der sichtbaren Welt in ihrer weitgehend gegenstandslosen Malerei noch erkundet werden können. Anders als in früheren Jahren strebt sie keine Figuration an, sondern verweist auf Abwesendes, das durch die Bildwerdung verkörpert wird. Davon spricht das grossformatige schwarze, mit Silberpartikeln übersäte Bild 123 (2018). Es erinnert an die flächendeckenden, grenzenlos wirkenden Nachthimmel-Bilder der amerikanischen Künstlerin Vija Celmins. Während das Unendliche durch die gleichmässige Komposition in seiner harten, unbewegten Oberfläche gebannt wird, liegt dem Werk von Karin Schwarzbek ganz schlicht ein zerknülltes altes Bild zugrunde, dessen Überbleibsel in Form von Silberpartikeln sie in die nasse Emaillefarbe rieseln liess.
Der Bezug zum Körper kommt über die Verwendung diverser Materialien ins Spiel, die bei der Suche nach einer Bildfindung zentral sind. Indem Karin Schwarzbek den Bildträger faltet, schneidet oder vernäht, bemalte Leinwände von ihren Keilrahmen löst und sie wieder überarbeitet, Schichten aufdeckt und andere abträgt, wird die Beschaffenheit des Materials zum Bildinhalt. Offenkundig ist dies beispielsweise, wenn die Künstlerin den textilen Bildträger mit Leinöl so bearbeitet, dass die Oberfläche gelbbräunlich schimmert, 155 (2018), wenn sie ein Bild, 148 (2018), mit Fingerprints versieht oder nebelhafte Gefüge in Farbräumen suggeriert werden wie in der Arbeit 149 (2018). Eine starke haptische Qualität besitzt das Werk 138 (2018) mit dem Stoff einer gebleichten, über den Keilrahmen gespannten Hose. Im Arbeitsprozess kann Schwarzbek vielfach auf ihre Erfahrungen als Assistentin im Restaurierungsatelier von Thomas Zirlewagen zurückgreifen, das sie aus Interesse an einem tieferen Verständnis der Malereitradition aufgesucht hatte.
Die im Museum Haus Konstruktiv präsentierten Arbeiten bilden ein sorgsam ausbalanciertes Ensemble, in dem sich das Bestreben der Künstlerin widerspiegelt, verschiedene Sichtweisen eines Bildgegenstandes einzufangen, der im einzelnen Bild sehr reduziert oder nur latent vorhanden ist. Dadurch, so die Künstlerin, «öffnet sich das Bild und kann mit den anderen Bildern Verbindungen eingehen». So kreisen die einzelnen Bilder im Ensemble um ähnliche Fragen, variieren jedoch in Erscheinung und Dynamik. Die lediglich nummerierten Werke sollen gemäss der Vorstellung der Künstlerin «Malereierfahrung» ermöglichen. Abgesehen davon, dass die Bildlegenden Auskunft über die Beschaffenheit der Arbeiten geben, macht deren fortlaufende Nummerierung sie sowohl zu autonomen Werken als auch zu Bestandteilen einer laufenden Reflexion.